Verbot der direkten und indirekten Finanzierung

Auf der Grundlage der Erfahrungen mit der Durchführung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1141/2014 (im Folgenden „Verordnung") in der Praxis in den letzten Jahren möchte die Behörde für europäische politische Parteien und europäische politische Stiftungen (im Folgenden „Behörde") den europäischen politischen Parteien und europäischen politischen Stiftungen eine nicht erschöpfende Reihe von Leitlinien an die Hand geben. Der unmittelbar verbindliche Charakter der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1141/2014 wird von den Leitlinien der Behörde nicht berührt. Darüber hinaus werden diese Leitlinien aufgrund des zunehmenden Fundus an Erfahrungen und im Ergebnis von Änderungen des Rechtsrahmens auch weiterhin Gegenstand von Anpassungen sein

Tätigkeiten von mit einer europäischen politischen Partei verbundenen Einrichtungen

  • Die Behörde weist darauf hin, dass Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1141/2014 auch für Tätigkeiten von Bedeutung ist, die von verbundenen Einrichtungen auf europäischer Ebene ausgeführt werden, die finanzielle Unterstützung von einer europäischen politischen Partei erhalten.

  • Gemäß Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1141/2014 sind gemeinsame Tätigkeiten von mit einer europäischen politischen Partei verbundenen Einrichtungen und Mitgliedsparteien oder verbundenen Einrichtungen der Mitgliedsparteien nicht verboten.

  • Allerdings muss eine europäische politische Partei gemäß der Bestimmung im Fall von gemeinsamen Tätigkeiten ihrer verbundenen Einrichtungen mit Mitgliedsparteien oder verbundenen Einrichtungen der Mitgliedsparteien sicherstellen, dass die Kofinanzierungsrate eine Reihe von Faktoren widerspiegelt, die einen Bezug zu dem Kontext und dem Inhalt der betreffenden Tätigkeit haben (siehe oben). Insbesondere die folgenden Faktoren müssen berücksichtigt werden:
    • die Erkennbarkeit der europäischen politischen Partei oder ihrer verbundenen europäischen Einrichtung,
    • der Grad der Verantwortlichkeit der mit der europäischen politischen Partei verbundenen Einrichtung an der Veranstaltung und
    • der Kofinanzierungsanteil der mit der europäischen politischen Partei verbundenen Einrichtung, der proportional zu ihrer Erkennbarkeit und ihrem Grad der Verantwortlichkeit im Vergleich zu dem Kofinanzierungsanteil der Mitgliedspartei oder der verbundenen Einrichtung der Mitgliedspartei sein muss.

Gemeinsame Tätigkeiten

  • Gemeinsame Tätigkeiten europäischer politischer Parteien oder europäischer politischer Stiftungen mit Partnern auf nationaler Ebene sind durch die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1141/2014 nicht per se untersagt. Insbesondere die von einem nationalen Partner eingeleitete Kommunikation mit der Öffentlichkeit für Zwecke der Tätigkeiten einer europäischen politischen Partei oder Stiftung kann ein wirksames Mittel sein, um auf die europäische Politik und politische Angelegenheiten aufmerksam zu machen. Allerdings muss jederzeit das Finanzierungsverbot gemäß Artikel 22 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1141/2014 geachtet werden.

  • Wird eine Tätigkeit von einer europäischen politischen Partei gemeinsam mit einer anderen politischen Partei, insbesondere einer nationalen Partei, durchgeführt, könnte ein übermäßig hoher Finanzierungsanteil der europäischen politischen Partei bei dieser Tätigkeit eine „mittelbare Finanzierung" im Sinne von Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1141/2014 darstellen.

  • Wird eine Tätigkeit von einer europäischen politischen Stiftung gemeinsam mit einer politischen Partei oder einer anderen Stiftung durchgeführt, könnte ein übermäßig hoher Finanzierungsanteil der europäischen politischen Stiftung bei der Tätigkeit eine „mittelbare Finanzierung" im Sinne von Artikel 22 Absatz 2 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1141/2014 darstellen. .

  • Um zu bewerten, ob möglicherweise eine mittelbare Finanzierung einer Partei oder Stiftung auf nationaler Ebene im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen, insbesondere

    • die durchgängige Erkennbarkeit der europäischen politischen Partei bzw. Stiftung,

    • der Grad der Verantwortlichkeit der europäischen politischen Partei oder Stiftung für die Veranstaltung im Vergleich zu derjenigen der Partei oder Stiftung auf nationaler Ebene, wobei für die diesbezügliche Beurteilung der allgemeine Kontext der Veranstaltung, der Umfang, der Inhalt, die Ziele, die Zielgruppe(n), die Motivation und der potenzielle Wert der Veranstaltung für den Erfolg der nationalen Partei bei nationalen Wahlen von Bedeutung sind (vgl. Rechtssache T‑829/16, MENL/Parlament, Rn. 83ff),

    • der von der europäischen politischen Partei bzw. Stiftung getragene Kofinanzierungsanteil, der mit der Gesamtbeteiligung der europäischen politischen Partei bzw. Stiftung im Vergleich zur Beteiligung der nationalen Partei an der jeweiligen Tätigkeit in einem realistischen Zusammenhang stehen sollte (vgl. Rechtssache T‑829/16, MENL/Parlament, Rn. 89).

Kandidat

  • In Bezug auf Kandidaten schreibt Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1141/2014 eine Einzelfallprüfung vor, um festzustellen, ob ein Kandidat von der europäischen politischen Partei Finanzmittel erhalten hat, die der „unmittelbaren oder mittelbaren Finanzierung" dienen.

  • Zu den einschlägigen Kriterien, anhand deren beurteilt wird, ob ein Person als Kandidat gilt, zählen

    • die Frage, ob vernünftige Gründe für die Annahme bestehen, dass die Person sich zum Zeitpunkt einer Tätigkeit einer europäischen politischen Partei, deren Mitglied die Person ist, als Kandidat für eine Wahl aufstellen lassen hat, insbesondere in Anbetracht von Erklärungen in der Öffentlichkeit und des Verfahrens zur Aufstellung von Kandidaten in der betreffenden Partei und/oder dem betreffenden Mitgliedstaat, und

    • die Zeitspanne zwischen einer Tätigkeit, an der sich die Person beteiligt, und der Wahl.
  • Personen, die zuvor für ein Wahlamt kandidiert haben (unabhängig davon, ob sie tatsächlich gewählt wurden), gelten nicht mehr als Kandidaten im Sinne von Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1141/2014 für die Zwecke einer Tätigkeit nach der Wahl, es sei denn, sie sind zu diesem Zeitpunkt Kandidaten für eine Wiederwahl oder kandidieren für ein anderes Wahlamt, wobei die vorstehend erläuterten Kriterien zu beachten sind.

  • Es sei darauf hingewiesen, dass Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung aus anderen Gründen Anwendung finden kann, auch wenn es zum Zeitpunkt der Tätigkeit keine Kandidaten gibt, z. B. weil bei einer von einer europäischen politischen Partei bezahlten Tätigkeit ein (bereits) gewählter Vertreter einer Mitgliedspartei unter Übernahme der Kosten durch die europäische politische Partei für diese Mitgliedspartei auftritt und ihre Inhalte vertritt (siehe hierzu die allgemeinen Leitlinien für gemeinsame Tätigkeiten).

Allgemeines

  • Eine indirekte Finanzierung liegt vor, wenn eine nationale politische Partei oder ein Kandidat einen finanziellen Vorteil erlangt, unter anderem durch die Vermeidung von Ausgaben, die sie bzw. er hätte tätigen müssen, auch wenn keine Mittel direkt überwiesen werden (MENL/Parlament, T-829/16, ADDE/Parlament, T-48/17).
  • Um zu beurteilen, ob eine indirekte Finanzierung vorliegt, stützt sich die Behörde auf eine Reihe von Elementen, wie z. B. solche, die den Inhalt der finanzierten Maßnahme betreffen, sowie geografische und zeitliche Elemente (vgl. MENL/Parlament, T-829/16, ADDE/Parlament, T-48/17).
  • Zum Nachweis des Vorliegens einer indirekten Finanzierung genügt es, sich auf ein hinreichend konkretes, genaues und in sich stimmiges Bündel von Beweisen zu stützen (ACRE/Parlament, T-107/19).